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Autismus im Alter

  • Autorenbild: Frank Klix
    Frank Klix
  • 22. Okt. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Ein Mann erfährt im Alter, dass er Autist ist. Diese späte Diagnose wirft sein gesamtes Leben in ein neues Licht. Zum ersten Mal in seinem Leben versteht er, warum er sich oft anders gefühlt hat, warum soziale Interaktionen für ihn eine Herausforderung waren, und warum er die Welt auf eine Weise wahrnimmt, die ihn von anderen zu isolieren schien. Doch mit dieser Erkenntnis kommt auch eine tief verwurzelte Angst, die ihn begleitet – eine Angst vor dem Leben selbst.


Ein Leben in Isolation Für viele Menschen ist eine Autismus-Diagnose im Kindes- oder Jugendalter eine Möglichkeit, frühzeitig Unterstützung zu erhalten und sich mit den eigenen Besonderheiten auseinanderzusetzen. Doch für diesen Mann, der fast sein gesamtes Leben ohne dieses Wissen gelebt hat, fühlt sich die Diagnose wie ein Doppelschlag an. Einerseits bringt sie Erleichterung, da sie endlich eine Erklärung für sein Anderssein liefert, andererseits schürt sie Ängste und Unsicherheiten, die er sein Leben lang verdrängt hat.

Er blickt auf ein Leben voller sozialer Missverständnisse, zwischenmenschlicher Isolation und Verletzungen zurück. Während andere scheinbar mühelos soziale Beziehungen pflegten, hatte er stets das Gefühl, außen vor zu stehen. Gespräche waren oft verwirrend und anstrengend, und in vielen sozialen Situationen fühlte er sich unwohl oder überfordert. Er hat gelernt, sich anzupassen, Masken zu tragen und Verhaltensweisen zu imitieren, um nicht aufzufallen. Doch dies hat ihn viel Energie gekostet, und oft hat er sich dabei einsam und erschöpft gefühlt. Jetzt, im Alter, wird ihm klar, dass all diese Kämpfe Teil seines autistischen Seins waren.





Die Angst vor dem Leben Mit der Diagnose tritt eine neue Angst in den Vordergrund. Er beginnt, sein Leben rückblickend zu analysieren und fragt sich, was gewesen wäre, wenn er früher gewusst hätte, dass er Autist ist. Hätte er andere Entscheidungen getroffen? Wäre sein Leben glücklicher verlaufen? Diese Fragen führen zu einer tiefen Verunsicherung und der Angst, dass es nun zu spät ist, sich mit seiner wahren Identität auseinanderzusetzen. Die Zukunft erscheint ihm bedrohlich, weil er nicht weiß, wie er mit diesem neuen Selbstverständnis umgehen soll.


Die Angst vor dem Leben selbst manifestiert sich auch in seinem täglichen Erleben. Die Welt ist chaotisch, laut und voller unvorhersehbarer Herausforderungen. Als Autist hatte er oft Schwierigkeiten, Veränderungen zu akzeptieren und sich an neue Situationen anzupassen. Jetzt, da er älter ist und sich in einer Lebensphase befindet, in der Veränderungen unvermeidlich sind – sei es durch den Eintritt in den Ruhestand, gesundheitliche Einschränkungen oder das Altern selbst – wird diese Angst noch verstärkt. Er fühlt sich unvorbereitet, mit diesen Herausforderungen umzugehen, und fragt sich, wie er die verbleibenden Jahre seines Lebens gestalten soll.

Die Suche nach Akzeptanz Dennoch bietet die Diagnose auch eine Möglichkeit zur Selbstakzeptanz. Er erkennt, dass er sich nicht länger verstellen muss, um den Erwartungen anderer zu entsprechen. Das Wissen um seinen Autismus gibt ihm die Erlaubnis, authentisch zu sein und sich auf eine Weise durch die Welt zu bewegen, die seinen eigenen Bedürfnissen und Vorlieben entspricht. Anstatt sich für seine Eigenarten zu schämen, kann er beginnen, sie als Teil seiner Identität anzunehmen. Dies erfordert jedoch Zeit und Mut.

Der Prozess der Selbstakzeptanz ist kein einfacher. Jahrzehntelang hat er sich an ein bestimmtes Selbstbild geklammert, das nun ins Wanken gerät. Die gesellschaftlichen Erwartungen an ältere Menschen, besonders an Männer, die Stärke und Unabhängigkeit betonen, machen es ihm schwer, seine Verletzlichkeit anzuerkennen. Doch er begreift, dass wahre Stärke darin liegt, sich selbst zu verstehen und anzunehmen – mit all den Herausforderungen und Besonderheiten, die der Autismus mit sich bringt.

Neue Perspektiven Mit der Zeit beginnt er, die Diagnose auch als Chance zu sehen. Es ist nie zu spät, sich selbst besser zu verstehen und neue Wege zu finden, um das Leben zu genießen. Er sucht nach Gemeinschaften von Autisten, tauscht sich mit anderen aus, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und entdeckt, dass er nicht allein ist. Dies gibt ihm das Gefühl von Zugehörigkeit, das er sein Leben lang vermisst hat.

Obwohl die Angst vor dem Leben ihn weiterhin begleitet, erkennt er, dass diese Angst nicht zwingend negativ sein muss. Sie erinnert ihn daran, achtsam zu sein und die Schritte in seinem eigenen Tempo zu gehen. Anstatt sich von der Angst lähmen zu lassen, kann er sie als Teil seines Prozesses der Selbstfindung und Heilung annehmen.

Fazit Die Diagnose Autismus im Alter ist für diesen Mann ein Wendepunkt. Sie bringt ihn dazu, sein Leben neu zu betrachten und sich mit Ängsten auseinanderzusetzen, die er lange verdrängt hat. Doch gleichzeitig bietet sie ihm die Möglichkeit, sich selbst mit einem neuen Verständnis zu begegnen. Die Angst vor dem Leben wird zwar bleiben, doch sie ist nicht mehr der alles bestimmende Faktor. Vielmehr kann sie ihm helfen, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Authentizität, Selbstakzeptanz und die Suche nach einem erfüllten Leben in den Jahren, die vor ihm liegen. Ein Kampf gegen die Lebensmüsdigkeit, von dem er hofft, dass er ihn doch noch gewinnt.

©2025 by Frank Klix

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